Lisa Metz-Ismail · Nürnberg

Lisa Metz-Ismail, Wartburgstraße 11,
90491 Nürnberg, Tel: 0911/56 34 11
Warte-Raum, Zwischen-Raum, Zwischen-Zeit

Ich sitze im Zug, am Gleis, im Bahnhof und nähe zarte Kursbuchseiten zu großen Papierwänden. Ich sehe, beobachte, höre und komme ins Gespräch mit Reisenden, Ich schreibe, zeichne, nähe und wirke die Vorstellungen und Wünsche der Menschen mit ein.
Ich habe einen Ort gefunden, an dem mein Warteraum wachsen soll. Ich befestige Papierwände. Papier, ein sanftes, leises Material, dämpft grelles Licht und schirmt ein Übermaß an Eindrücken für Auge und Ohr ab. Auch Passanten können etwas in eine Wand einfügen. Meine Idee von einem Ort der Ruhe im Bahnhof verbindet sich mit Vorstellungen anderer, die unterwegs sind.
Der Raum wird fertiggestaltet und ist dann offen für jeden, um sich kurz auszuruhen:
Ein Traum-Raum-Gebilde, entstanden aus dem Zusammenwirken spontaner Eindrücke und Äußerungen und aus meinem Wunsch nach einem Symbol für eine neue Kultur des Wartens.
Biografie

1953 geboren
1973-78 Grafik-Design-Studium an der FH Nürnberg
1978-85 Kunstakademie Nürnberg, Studium Malerei
seit Mai 85 Atelier im Raum Nürnberg
seit 1986 arbeiten mit Papier und verschiedenem Material (Bilder, Objekte und raumbezogene Arbeiten)
seit 1990 Arbeit mit der Technik des Papierschöpfens (Bilder und Objekte, Buch-Objekte) und Leitung von Kursen u. a. zum Thema: Papierschöpfen/Papierkunst
Ausstellungen und Beteiligungen u. a. in Erlangen, Nürnberg, Bayreuth, Bonn, Bergamo, Perth (Australien)
WARTERAUM – ZWISCHENRAUM – ZWISCHENZEIT

Papier-Raum (Fahrplanpapiere, Draht, roter Faden,) Ø 160 cm, Höhe 200 cm

Warten auf Reisen bedeutet oft in einem tristen Nebenraum sich und sein Gepäck vorübergehend abstellen oder schnell irgendwo einen Imbiss reinschlingen.
Warten – Zwischenzeiten die unterwegs entstehen zwischen Abfahrt und Ankommen können als wertvoller Teil der Lebenszeit gesehen werden und eine bereichernde Erfahrung sein, wenn nicht nur das Ziel der Reise wichtig ist, sondern auch der Weg dahin.
In diesem Sinne entstand als Symbol für eine andere Kultur des Wartens ein mobiler Warteraum:
An einer Spirale aus Draht hängen Papierwände, zusammenfaltbar, mit Hängevorrichtung und Verpackung; ein Raum zum Mitnehmen für unterwegs. Die Wände wurden zum Teil im Zug und während der Wartezeiten an Bahnhöfen aus den Seiten des Kursbuches von 1999 genäht. Zeitliche und räumliche Zusammenhänge wurden zerrissen, um auf neue Art verbunden zu werden zu einem begehbaren Wartezeit-Raum, der in vieler Hinsicht ein Bild ist für das, was Warten bedeuten kann, für Erfahrungen des Wartens auf Reisen:
Zwischenzeit (unterwegs, losgelöst vom Gewohnten und Vertrauten)

An einem sonnigen Herbsttag hängt der "Warteraum" am Ast einer Kastanie nahe bei den Gleisen. Der Wind dreht den federleichten Papierraum, wirbelt ihn hoch in die Luft und bauscht den weiten Papierrock: er tanzt!

Zeit nach innen zu gehen (zu sich kommen, Ruhe, erhöhte Aufmerksamkeit)

Windstille. Der Raum hängt still da. Er windet sich spiralig nach innen, der Innenraum geschützt von transparenten Papierwänden. Rascheln, Knistern: das zarte Papier reagiert auf die leiseste Bewegung der Luft und verdeutlicht sie für Auge und Ohr.
Traumzeit (ohne Ziel und Sinn; ein leerer Raum für Unerwartetes, Begegnungen, Spiel und Fantasie, Erinnerungen und Träume... )

Karlovy Vary – Köln – London – Marseille... die Leichtigkeit des Reisens auf dem Papier. Die Strukturen der Abfahrts- und Ankunftszeiten bilden feine Zeitlinien; kreuz und quer darüber zieht sich der rote Faden der inneren Reisen.
Der Raum wird eingepackt und im Zug mitgenommen bis Zwickau Hauptbahnhof. Ein
lauschiges Versteck entfaltet sich in der zugigen Unterführung zu den Gleisen.
"Da drin könnte man ja Dummheiten machen...", meint der freundliche Bahnmitarbeiter.