Hans Hoge · Düsseldorf / Ursula Ströbele · Düsseldorf

Wegmarken

Für einen Zugreisenden ist die Welt vor allem in den Raum des Wagens und das Draußen geteilt. Der vom Fenster sichtbare Außenraum wird aus einer besonderen Perspektive von der Seite gesehen und er bewegt sich beim Fahren. Dadurch werden Dinge anders wahrgenommen.
Enlang von Bahnlinien findet der aufmerksame Reisende oft eine Vielzahl plastisch interessanter Objekte, die von Menschenhand geschaffen und vielfach von der Natur überformt wurden.
WEGMARKEN beschäftigt sich mit solchen Dingen. Sie werden vom Zug aus ausgewählt, soweit als möglich freigelegt und ganz oder teilweise farblich markiert. Freilegen bedeutet, etwaigen Bewuchs mit Sense und Säge zurückschneiden, Sichtachsen öffnen und störende Teile entfernen. Teilweise

kann etwas hinzugefügt werden, der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Vorhandenen. Gedacht ist an etwa zehn Objekte. Zum Markieren wird jeweils die gleiche Farbe benutzt, dadurch wird eine gewisse Verschmelzung und Verbindung entstehen. Vor allem geht es darum, bekannte Ansichten zu brechen und die plastischen Qualitäten der Dinge zu betonen. Verfallsspuren, Rost, ungünstige Farbgebung behindern oft die Wahrnehmung; hier kann mit geringem Aufwand, zumindest kurzfristig, wie es dem Charakter der Grenzfahrt entspricht , eine andere, freundliche und interessante Ansicht geschaffen werden. Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit von Hans Hoge und Ursula Ströbele. Hans Hoge

06484 Quedlinburg, Breite Straße 44
Tel: 03946/51 72 00

geboren am 31.3.1968 in Dresden
1986 Abitur in Bergen auf Rügen
1986-88 Militärdienst
1988-92 Studium der Physik in Halle
1993 Reisen nach Frankreich, Indien
1994-99 Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf
1998 Meisterschüler bei Prof. Cragg
seit 1999 freischaffend in Queddlinburg

1997 Gruppenausstellungen in Düsseldorf-Heerdt, Schießstraße
1997 Tuzin-Dozen Syposium in Polen
1998 Ausstellung im SchauRaum Düsseldorf
Ausstellung in der Alkatraz-Galerie in Ljubljana/Slowenien
Rheinbahn-Förderpreis und Gestaltung einer Straßenbahn
1999 Ausstellung im Innenstadt-Mainstream in Düsseldorf
2000 Theaterprojekt in Göttingen

Ursula Ströbele

40223 Düsseldorf, Bachstraße 1
Tel: 0211/33 42 37

geboren am 20. 3. 1961
Studium der Bildhauerei an der Akademie Düsseldorf von Oktober 1985 bis März 1993 bei Prof. Paik
Meisterschülerin 1990 bei Prof. Paik
von 1993-1996 Arbeit an einem literarischen Projekt
im Juni 1997 Aktionen und Ausstellungen im öffentlichen Raum in Düsseldorf zur überregionalen Innenstadtaktion
im August 1998 Ausstellungsreihe mit Julia van Koolwijk und Herbert Willems im Kunstverein Cottbus, Kulturhof Lübbenau und Kulturbund Finsterwalde
1999 Aktionen und Ausstellungen im öffentlichen Raum in Düsseldorf mit WELTENGARTEN
im Oktober 1999 Ausstellung in der alten Paketpost mit Hans Hoge, Carl Hager und Gae-Hyun Kim.
im April 2000 Ausstellung in der alten Paketpost mit WELTENGARTEN

             

Im Geschwindschritt durch die Gegend
und blaumachen

Zwischen Zwickau und Karlsbad bewegten sich die fabrikneuen Siemenszüge auf dem veralteten Schienennetz.
Aus der erzwungenen Tempodrosselung heraus erwuchs eine besondere Stimmung.
Wir fühlten uns wie in einer Raumkapsel, die in Zeitlupentempo durch die Landschaft gleitet.
Da die verglaste Außenwand an manchen Sitzen bis runter zum Boden reichte, fühlten wir uns oft wie mit den Füßen im Gras.

Besonders die Strecke durch das Erzgebirge glich einem großen Marsch, der sich ohne Anstrengung vollzog.
Wir hatten das gedämpfte Motorengeräusch und die quietschenden Schienen im Ohr und vergaßen sie Zeit.
Die kommenden anderthalb Wochen sollten wir einen neuen Rhythmus überantworten, nämlich dem des Zugplanes.
Daran mußten wir uns gewöhnen.
Auch die Rückfahrt mußte in den Tagesablauf eingeplant werden, um zum Abendessen zurück zu sein.
Von Hartenstein bis Karlsbad waren es drei volle Stunden.

Frühstück und Abendessen gaben dem Tag den zeitlichen und gemeinschaftlichen Rahmen.
Wir konnten uns immer auf gutes Essen und die gute Laune unserer Wirtin Yvonne verlassen.


Nicht so auf das Wetter.
Erstmal setzte der Regen ein.
Wir nutzten diese Zeit, um Buch zu führen – Auflistungen der Gegenstände entlang der Strecke.
Dann klärte der Himmel auf und wir machten uns an die Arbeit.

Als erstes lackierten wir die Fassung eines alten Wasserrohres, das zu einem Wehr gehörte.
Das Rohr führte unter einer langgezogenen Eisenbahnbrücke durch und lag gleichzeitig über einem Fluß.
Mit spitzen Steinen haben wir zuerst mehrere Lack- und Rostschichten abgekratzt.

Das Enzianblau setzte den herbstlichen Farbenspiel der Natur dann etwas fremdes entgegen.
Ein Spaziergänger erzählte uns, daß sein Geburtsjahr mit der Erstellung dieses Rohres identisch wäre: 1925.

Das Alter der Bogenbrücke, die als Fußgängerüberweg bei unserer Herberge in Hartenstein stand, konnten wir nur vermuten.
Wir verpaßten dem bröckelnden Beton einen neuen Anstrich, und sahen die Brücke künftig als Ausgangspunkt des Projektes.
Ein Tor für die Züge und für uns auch ein begrifflicher Überbau.
Es folgten Pfähle, Masten, ein Kasten, ein Dieseltank und ein großer Sockel.

Das Enzianblau, daß entweder Abtönfarbe oder Lack war, wurde mit dem Pinsel aufgetragen.
Manchmal strichen wir nur einzelne Teile der Objekte an.

Bisher brauchten wir uns nicht umständlich um Genehmigungen zu kümmern.
Entweder waren die Gegenstände schon sehr alt, oder es waren Verantwortliche vor Ort, die man fragen konnte.
Um eine Ausnahme zu haben, wählten wir ein Maschinenteil aus, das in Funktion stand und erklärten uns dem Firmenchef.
Er erlaubte es uns schließlich und gab uns Sicherheitsgurte.

Entlang der Zugstrecke Zwickau-Karlsbad waren nun an 10 Stellen Markierungen angebracht worden.
Farbliche Aufarbeitungen an Objekten, die am Wegesrand lagen und von Zugreisenden gut gesehen werden konnten.
Daraufhin war das Projekt konzipiert worden.

In den neuen Zügen sitzend, nahm man die gebaute Welt draußen als antiquarisch wahr.
Wir hatten einzelnen Teilen optisch etwas nachgeliefert, was sie mit den Reisenden wieder in Kommunikation treten ließ.
Durch deren Gedankenverbindungen entstand erst das Bildwerk.

Projektbeschreibung:
Entlang von Bahnlinien findet der aufmerksame Reisende oft eine Vielzahl plastisch interessanter Objekte, die von Menschenhand geschaffen wurden.
WEGMARKEN beschäftigt sich mit solchen Dingen.
Sie werden vom Zug aus ausgewählt, soweit als möglich freigelegt und ganz oder teilweise farblich markiert.

Zu unserer Arbeit:
Der Ansatz von WEGMARKEN hat sich als praktikabel erwiesen.
An der Strecke befinden sich tatsächlich viele interessante und für eine Bearbeitung geeignete Objekte.
Wir haben eine Auswahl getroffen und realisiert, die wir als typisch empfinden.

Zu wünschen bleibt eine größere Dichte von bearbeiteten Objekten entlang der Bahn.

Die gegebenen Bedingungen haben unserem Elan Grenzen gesetzt.

Herzlichen Dank geht an alle, die uns unterstützt haben, insbesondere an die Wirtsleute am Haltepunkt Hartenstein und die tschechischen Bahnleute.