Gine Celle · Köln

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Figurenpfad

Die Installation findet im Grenzbereich statt, der beide Bahnstationen durch einen 15-minütigen Fußweg miteinander verbindet. Sie ist nur als Fußgänger oder Fahrradfahrer wirklich wahrzunehmen, denn es handelt sich um einen Miniaturenfigurenweg, der nur eine ungefähre Höhe von 30 cm und eine wachsende Länge bis zu ca. 1 km aufweist.

Seltsame, grimmige Gestalten auf Stäben bewegen sich scheinbar aus der Mitte zu den Ländern hin. Der Betrachter kann eine stetig wachsende Kette dieser farbigen Figuren sehen. Hin und wieder sind deutsch-tschechische Textschilder dazwischen, die dem Besucher Hilfestellung und Anregung zur Deutung des Figurenpfades geben. Die Entstehung dieses Figurenpfades hat Prozesscharakter, Texte können noch mit entworfen werden.
Diese hier laufenden Gestalten sind Hauptakteure meiner Kunst. Über Blicke kommunizieren sie miteinander, ihre Mimik sagt das, was sie nicht in der Lage sind zu äußern und nicht äußern wollen.
Biografie

Geboren 1966 in Bad Salzuflen
Ausbildung zur Lithografin und Diplom-Designerin in Dortmund
Lebt und arbeitet jetzt als Bildende Künstlerin und Designerin in Köln
Außenplastiken Landesgartenschau in Lünen
Einjähriges Kunstförderstipendium der "Werkstatt Altena"
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Berlin, Wiesbaden, Köln, Dortmund, Bielefeld, Altena, Bad Salzuflen mit Farbradierungen, Acrylbildern und Objekten..
Meine "Grenzfahrt" sollte eine Grenzwanderung vieler kleiner Figuren sein, die farbig zu Füßen steckend um Beachtung bitten und sich stetig vermehren.
Da aber die Grenzsituation vor Ort derart "belebt" war, hatte ich mich entschlossen, sie aus diesem Brennpunkt herauszunehmen und sie vom Grenzbahnhof "Johanngeorgenstadt" am Fußweg Richtung Grenze laufen zu lassen. So habe ich ihnen den schnellen spektakulären Märtyrertod – nämlich binnen Minuten von Horden einkaufenden Grenzgängern überrollt zu werden – erspart.
Doch mußten sie auch an dieser ruhigeren Plazierung um Überleben und Beachtung kämpfen.
Manch ein Passant hat das auch anerkennend entzückt oder verwundert zur Kenntnis genommen. Ein anderer trat versehentlich eine Figur um und entschuldigte sich sofort mit rotem Kopf, brummend für das Mißgeschick, oder schaute sich schnell um, ob es bemerkt wurde und wiederbelebte das geknickte Opfer. Dann gab es noch mich und meine Figuren lobende Diebe: "Die sind aber schön! Kann man die kaufen?" – "Ja, Stück 5,- DM!" Schwubb, um die Ecke herum, sieht die Künstlerin ja nichts, ist ja so eine Art Mundraub – abgesteckt, eingesteckt. "Wohl bekömms!" wünsch ich da.
Für vier Tage war ich mit der mittlerweile straßenlangen Figurenreihe sehr zufrieden. Am Tag des Bahnhofsfestes trabte sie diesmal an der oberen Straße zur Grenze. Rot/Gelb mit Titeln beschildert für Autos und Fußgänger gut sichtbar, hofften sie endlich in Tschechien anzukommen – "Gestalten, die auszogen, um anzukommen".
Doch dann geschah es. Ich verletzte meine Aufsichtspflicht. Skeptisch, aber doch mit einem gewissen Grundvertrauen in den Passanten, verließ ich meine Figurenfabrik, um zu speisen. Gesättigt kehrte ich zurück: "Krieg!" dachte ich, heimtückischer Überfall während meiner Abwesenheit. 30% gestohlen, 30% gemordet. Mit den Unversehrten und den Wiederbelebten blieben mir noch 50% leicht angeschlagene Grenzwanderer. Nein – rüber wollten sie nun nicht mehr. Nach langem Gutzureden stellten sich einige Freiwillige zur Vefügung, ihren toten Kameraden zu gedenken. "Baumbilder" als Mahnmal! Die Figuren auf Ästen laufend, wie Ausschnitte aus den Grenzwanderern – so erinnern sie vielleicht noch heute an die Schlacht von Johanngeorgenstadt am 23. 9. 2000.
"Warum hast du die Figuren denn auch so klein (30cm hoch) gemacht?" wurde ich oft gefragt. "Na, damit sie unauffällig gestohlen und getreten werden können. Damit die Täter sich zu Hause beruhigt ins Kissen legen können mit den Reinengewissengedanken: "Es sind ja so viele (gewesen)! Da fällt`s nicht auf, wenn eine fehlt. Oder: "Ich schau mir doch nicht jeden Stein (oder jede Figur) an, auf die ich trete...
Alles eine Frage der Macht und der Aufmerksamkeit.

Nach dem tragischen Zwischenfall am 23. 9. 2000 beschloß ich, die übrigen Gestalten in den Bäumen zu lassen und neue zum Leben zu erwecken, die dann aber in einem friedlichen Umfeld ihr Dasein fristen sollten.
Einige Wenige am Bahnhof Hartenstein laufen immer noch in Richtung Grenze, einige andere sind zur See gefahren, fernab von unsensiblen Übergreifern. Im kleinen Teich an der Burg Stein teilen Sie mit den Enten ihre ökologische Nische. Auf Ästen segelnd, vom Wind gesteuert, harren sie der Dinge und Zuschauer, die da kommen.

Die Kleinen! Die Lieblichen! Die Randfiguren! Die Stillen!
Die Unentdeckten? Die Austauschbaren? Die Unpolitischen? Die Machtlosen?